Theodor Kramer

Literaturkritik

Theodor Kramer wurde am 1.1.1897 im niederösterreichischen Niederhollabrunn als Sohn jüdischer Eltern geboren. Er absolvierte die Mittelschule in Wien mit der Matura, wurde 1915 einberufen und 1916 im Ersten Weltkrieg schwer verwundet. Er diente bis Kriegsende als Offizier in der österreichischen Armee. Ein anschließendes Studium der Germanistik und Staatswissenschaften brach er aus finanziellen Gründen ab und arbeitete in der Folge zunächst als Beamter, Buchhändler und Vertreter für Bücher. Ab 1931 lebte er als freier Schriftsteller. Er war 1933 Gründungsmitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller, die wegen obrigkeitlichen Verbots im Austrofaschismus nur ein Jahr Bestand hatte.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde Kramer als Jude und Sozialdemokrat ein Arbeits- und Berufsverbot auferlegt, seine sämtlichen Schriften kamen auf die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums. Nach mehreren misslungenen Ausreiseplänen, gelang 1939 zunächst seiner Frau Inge (Rosa) Halberstamm und dann ihm selbst, nach London zu emigrieren, wo er bis 1957 lebte. 1940 bis 1941 wurde er in England als „Feindlicher Ausländer“ interniert. Die Mutter Babette wurde von den Nationalsozialisten am 22.7.1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und später ermordet. 1942 zerbrach seine Ehe. Die Ehepartner trennten sich voneinander, reichten jedoch nie die Scheidung ein. Kramer fand 1943 in Guildford am County Technical College eine Anstellung als Bibliothekar, außerdem arbeitete er immer wieder für den deutschen Dienst der BBC. 1946 erhielt er die britische Staatsbürgerschaft. Er war Vorstandsmitglied des Österreichischen Exil-P.E.N.-Clubs und in engem Kontakt mit Kollegen wie Elias Canetti, Erich Fried und Hilde Spiel. In den 1950er Jahren vereinsamte er immer mehr und erkrankte an Depressionen. 1957 wurde er auf Intervention seines Freundes Michael Guttenbrunner, aber auch Bruno Kreiskys, nach Wien zurückgeholt, wo er eine Ehrenpension des Bundespräsidenten erhielt. Er starb am 3.4.1958 unglücklich und fast vergessen nach einem Schlaganfall in Wien.

Theodor Kramer schrieb rund 12.000 Gedichte, errang große Erfolge und wurde im ganzen deutschen Sprachraum bekannt. Seine liedhafte, jedoch unromantische Lyrik schöpft Kraft und Poesie aus einem sinnlich erfassten Milieu der Außenseiter: der Proletarier, Landstreicher, Handwerker, Knechte und Huren. Literarische Vorbilder waren Georg Trakl und Bertolt Brecht. Typisch für seine Gedichte war ein volksliedhafter, konventioneller Ton. „Einen der größten Dichter der jüngeren Generation“ nannte ihn Thomas Mann. Stefan Zweig und Carl Zuckmayer förderten seine Arbeiten. Doch in den achtzehn Jahre des Exils geriet sein Werk weitgehend in Vergessenheit, ein gemeinsames Schicksal vieler emigrierter Dichter. Seit den 1980er Jahren wurde es jedoch, ausgelöst durch das Gesangsduo Zupfgeigenhansel, wiederentdeckt.

Werke u.a.:

1929: Die Gaunerzinke. Gedichte.
1931: Wir lagen in Wolhynien im Morast... Gedichte.
1936: Mit der Ziehharmonika. Gedichte.
1943: Verbannt aus Österreich. Neue Gedichte. Austrian PEN
1946: Wien 1938 – Die grünen Kader. Gedichte.
1956: Michael Guttenbrunner (Hg.): Vom schwarzen Wein. Gedichte. Hg. von M. Guttenbrunner
1960: Einer bezeugt es... Gedichte. Eingeleitet und ausgewählt von Erwin Chvojka
1972: Lob der Verzweiflung. Gedichte.
1987: Erwin Chvojka (Hg.): Gesammelte Gedichte in drei Bänden. 3 Bände.
1996: Erwin Chvojka (Hg.): Spätes Lied. Gedichte.
1999: Erwin Chvojka (Hg.): Der alte Zitherspieler. Menschenbilder.
1999: Herta Müller (Hrsg.): Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan. Gedichte.
2004: So lange der Atem uns trägt. Gedichte. Theodor Kramer-Gesellschaft, Wien
2005: Erwin Chvojka (Hg.): Gesammelte Gedichte in drei Bänden. 3 Bände.
2005: Erwin Chvojka (Hg.): Laß still bei Dir mich liegen ... Liebesgedichte.
2018: Karl Müller und Peter Roessler (Hg.): Ausgewählte Gedichte.Theodor Kramer Gesellschaft