Günter Kunert
Der Lyriker und Schriftsteller Günter Kunert wurde am 6.3.1929 in Berlin geboren; er starb am 21.9.2019 in Kaisborstel. In seinem Werk nimmt die deutsche Teilung einen prominenten Platz ein: die komplizierten Wechselbeziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten mit ihren jeweils unterschiedlichen Befindlichkeiten in der Zeit des kalten Krieges sowie das wiedervereinigte Deutschland.
Günter Kunert war es nach dem Besuch der Volksschule auf Grund der nationalsozialistischen Rassengesetze (seine Mutter war Jüdin) nicht möglich, eine höhere Schule zu besuchen. Ab 1946 studierte er in Ost-Berlin als einer der ersten Studenten an der Weißenseer Kunsthochschule fünf Semester Grafik, brach sein Studium jedoch ab. 1948 trat er der SED bei. Er lernte Bertolt Brecht und Johannes R. Becher kennen.
Seit Mitte der 1960er Jahre pflegte er eine jahrelange enge Freundschaft zu dem Kollegen Nicolas Born, mit dem er einen intensiven Briefwechsel führte. 1972/73 war er Gastdozent an der University of Texas in Austin, 1975 an der University of Warwick in England. Er gehörte 1976 zu den Erstunterzeichnern der Petition gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann. Daraufhin wurde ihm 1977 die SED-Mitgliedschaft entzogen. 1979 ermöglichte ihm ein mehrjähriges Visum das Verlassen der DDR. Kunert ließ sich mit seiner Frau Marianne in Kaisborstel bei Itzehoe nieder, wo er bis zuletzt als freier Schriftsteller lebte. Über seine Übersiedlung nach Itzehoe/Kaisborstel und seine Haltung zur Ausbürgerung Wolf Biermanns gab er in drei kurzen autobiographischen Texten Auskunft, die 2023 erschienen sind.
Kunert gilt als einer der vielseitigsten und bedeutendsten Gegenwartsschriftsteller. Neben der Lyrik sind es Kurzgeschichten (Parabeln) und Erzählungen, Essays, autobiographische Aufzeichnungen, Aphorismen, Glossen und Satiren, Märchen und Science-Fiction, Hörspiele, Reden, Reiseskizzen, Drehbücher, eine Vielzahl von Vor- und Nachworten zu Veröffentlichungen von anderen Autoren, Libretti, Kinderbücher, ein Roman, ein Drama und anderes mehr, die Kunerts umfangreiches schriftstellerisches Werk ausmachen. Viele seiner Texte wurden von Kurt Schwaen vertont. Auch als Maler und Zeichner ist Kunert hervorgetreten.
In seinen Arbeiten nahm er eine kritische Haltung zu Themen wie Fortschrittsgläubigkeit, Nationalsozialismus und der Politik des DDR-Regimes ein. Während seine frühen Gedichte pädagogisch-kritisch argumentierend dem sozialistischen Realismus als dem Vertreter des Fortschritts verpflichtet waren, nahm er später eine zunehmend skeptisch-kritische und pessimistische Haltung ein.
Günter Kunert war seit 1981 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, seit 1988 Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg, 2005–2018 Vorstandspräsident des P.E.N.-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland und seit 2008 Ehrenmitglied des Fördervereins Gefangenenbüchereien e.V.
Im Februar 2019 erschien unter dem Titel „Die zweite Frau“ ein mehr als 40 Jahre zuvor entstandener, bis dahin unbekannter Roman, dessen Manuskript von Kunert „vor kurzem zufällig in einer Truhe entdeckt“ worden war.
Günter Kunert starb im September 2019 im Alter von 90 Jahren zu Hause an den Folgen einer Lungenentzündung, zwei Tage vor dem Erscheinen seines letzten Gedichtbandes. Sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.