Die schwarze Kondukteurin I+II

Theodor Kramer

Aufnahme 2020

Die schwarze Kondukteurin auf dem Bus
reicht mir den Fahrschein so als wär's ein Kuß;
ihr steht die Uniform, sie ist nicht prüd,
sie ist fürs Bett gemacht: ich bin zu müd.

Ob auch von mir noch jede Freundin ging,
ich wüßt noch gut zu scherzen mit dem Ding
und wüßt das Spiel zu spielen, bis sie glüht,
doch dauert's mir zu lang: ich bin zu müd.

Es schmeichelt mir, doch lieber kehr ich ein
und süffle in der Schenke meinen Wein
und seh, wie Stern bei Stern am Himmel sprüht
und Licht bei Licht im Tal: ich bin zu müd.


Dem stillen Fahrgast früh im Autobus
reich ich den Fahrschein so wie einen Kuß.
Er schaut zurück, doch spricht er nie mich an;
ich mag ihn gern, er ist ein feiner Mann.

Er meint vielleicht, er ist für mich zu alt,
mich aber lassen viele Jüngre kalt.
's ist niemand da, mit dem ich reden kann;
ich mag ihn gern, er ist ein feiner Mann.

Vielleicht verdrängt er mich aus seinem Sinn,
weil ich nur eine Kondukteurin bin.
Er sollt mich sehn, hab ich mein Wollkleid an;
ich mag ihn gern, er ist ein feiner Mann.