Peter Rühmkorf
Peter Rühmkorf wurde am 25.10.1929 in Dortmund geboren und wuchs in Warstade (heute Ortsteil der Stadt Hemmoor) bei Stade auf. Er war ein Patenkind von Karl Barth. 1951 legte er am Athenaeum Stade sein Abitur ab. Von 1951 bis 1956/57 studierte er zunächst Pädagogik und Kunstgeschichte, später Germanistik und Psychologie in Hamburg. Sein ursprüngliches Studienziel, Volksschullehrer, gab Rühmkorf nach einigen Semestern auf und brach das Studium ab. Ein Konflikt mit seinen Professoren soll nach ihm die Ursache gewesen sein. Zusammen mit dem Lyriker und Essayisten Werner Riegel gab er von 1951 bis zu dessen Tod 1956 die hektographierte Literaturzeitschrift „Zwischen den Kriegen“ im Eigenverlag heraus. Diese war lyrische und politische Plattform des „Finismus“ und in der Rückschau eine bedeutende Heftreihe jener Jahre. Rühmkorf war einer der Gründer und Hauptautor im Studentenkurier, der für die junge „widerständische“ Intelligenz der 1950er Jahre bedeutsam war. Später veröffentlichte er in der Folge-Zeitschrift „konkret“.
Von 1958 bis 1964 arbeitete Rühmkorf als Verlagslektor im Rowohlt Verlag. Seither war er in Hamburg freier Schriftsteller und Dichter. Oft trug Rühmkorf eigene Gedichte öffentlich vor, teilweise mit Jazz-Begleitung von Michael Naura und Wolfgang Schlüter. 1966 nahm er an einer Veranstaltung „Jazz und Lyrik“ auf dem Adolphsplatz in Hamburg teil. Er erhielt zahlreiche literarische Preise und war häufig Gastdozent an deutschen und internationalen Universitäten: 1969 bis 1970 in Austin (Texas), 1977 in Essen, 1978 in Warwick, 1980 in Frankfurt am Main und Hannover, 1983 in New Hampshire und 1985/86 in Paderborn. In den 1960er Jahren arbeitete Rühmkorf auch als Dramatiker, die drei damals entstandenen Theaterstücke waren jedoch – zumal wegen tagespolitischer Konstellationen in beiden Teilen Deutschlands – wenig erfolgreich.
1964 heirateten er und die Psychologin Eva-Marie Titze (1935–2013), die als Leiterin einer Strafanstalt, Gender- und Kultuspolitikerin und als Ministerin in Schleswig-Holstein arbeitete. Zu seinem 75. Geburtstag (2004) zeigte das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe eine Ausstellung zu Werk und Leben „Rühmkorf Revue – Ein Bilderbogen zum 75sten“. Die etwa 850 Exponate gaben eine zeitgeschichtliche Einsicht in das umfangreiche Privatarchiv des Dichters. Rühmkorf war Mitglied der Gruppe 47, des P.E.N. sowie der Akademie der Künste (Berlin), der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt, und der Freien Akademie der Künste, Hamburg. Er starb am 8.6.2008 im Alter von 78 Jahren an Krebs. Sein Urnengrab befindet sich auf dem Hauptfriedhof Altona.
Peter Rühmkorf hat seit den 1950er Jahren die Zeitgeschichte, den Kulturbetrieb und die Entwicklungen der Literatur, besonders der Lyrik, aufmerksam, kritisch, polemisch mit seinen scharfsichtigen und scharfzüngigen Anmerkungen begleitet. Seine Essays und Reden erweisen ihn als Erben der Aufklärung und als Kämpfer für den „Hochseil“-Akt, aufklärerisch-politische Ziele mit den Forderungen der Poesie und den Rechten des Individuums zu verbinden.
Was die kritischen Arbeiten fordern, versuchte er mit Gedichten einzulösen. Seine Sprache kommt der Artistik nahe: vieldeutiges Sprachspiel, Wortwitz, verblüffende Reime, Gedankenakrobatik, überraschende Bilder. Rühmkorfs Wandlungsfähigkeit kommt seinem literarischen Ahnherrn Heine gleich, es ist die „geistig-politische Schmuggelware“. Rühmkorf verbindet Brillanz mit Anleihen bei der Poesie des Volkes, die er in ihren Spielarten gesammelt und veröffentlicht hat. Er wird als „artistischer Volkssänger“, „witziger Aufklärer“, „subversiver Sprachvirtuose“ bezeichnet, der uns heutige „aufgeklärte Märchen“ erzählt. Er zeigte, was Dichtung heute sein kann: „ein utopischer Raum, in dem freier geatmet, inniger empfunden, radikaler gedacht und dennoch zusammenhängender gefühlt werden kann als in der sogenannten wirklichen Welt“.
Werke u.a.:
1956: In: Zwischen den Kriegen. Zs., 1952–1956: zahlreiche Beiträge
1959: Irdisches Vergnügen in g. Fünfzig Gedichte.
1961: Wolfgang Borchert. Biographie.
1962: Kunststücke. Fünfzig Gedichte nebst einer Anleitung zum Widerspruch.
1967: Über das Volksvermögen. Exkurse in den literarischen Untergrund.
1969: Was heißt hier Volsinii? Bewegte Szenen aus dem klassischen Wirtschaftsleben.
1972: Die Jahre die ihr kennt. Anfälle und Erinnerungen.
1972: Lombard gibt den Letzten. Ein Schauspiel.
1974: Die Handwerker kommen. Ein Familiendrama.
1975: Walther von der Vogelweide, Klopstock und ich.
1977: Phoenix – voran! Gedichte.
1978: Strömungslehre I. Poesie.
1979: Haltbar bis Ende 1999. Gedichte.
1980: Auf Wiedersehen in Kenilworth. Ein Märchen in dreizehn Kapiteln.
1980: Im Fahrtwind. Gedichte und Geschichte.
1981: agar agar – zaurzaurim. Zur Naturgeschichte des Reims und der menschlichen Anklangsnerven.
1982: Kleine Fleckenkunde.
1983: Der Hüter des Misthaufens. Aufgeklärte Märchen.
1983: Blaubarts letzte Reise. Ein Märchen.
1984: Bleib erschütterbar und widersteh. Aufsätze – Reden – Selbstgespräche.
1986: Mein Lesebuch.
1986: Außer der Liebe nichts. Liebesgedichte.
1986: Dintemann und Schindemann. Aufgeklärte Märchen.
1987: Selbstredend und selbstreimend. Gedichte – Gedanken – Lichtblicke.
1988: Werner Riegel. „ … beladen mit Sendung. Dichter und armes Schwein“.
1989: Einmalig wie wir alle.
1989: Dreizehn deutsche Dichter.
1989: Selbst III/88. Aus der Fassung.
1992: Komm raus! Gesänge, Märchen, Kunststücke.
1993: Deutschland, ein Lügenmärchen.
1993: Lass leuchten! Memos, Märchen, TaBu, Gedichte, Selbstporträt mit und ohne Hut.
1995: Tabu I. Tagebücher 1989–1991.
1996: Gedichte.
1996: Ich habe Lust, im weiten Feld… Betrachtungen einer abgeräumten Schachfigur.
1996: Die Last, die Lust und die List. Aufgeklärte Märchen.
1996: Ein Buch der Freundschaft.
1998: Lethe mit Schuss. Gedichte.
1999: wenn – aber dann. Vorletzte Gedichte.
1999: Von mir zu Euch für uns.
1999: Wo ich gelernt habe.
1999: mit Horst Janssen: Mein lieber Freund und Kompanjung.
2000: mit Robert Gernhardt: In gemeinsamer Sache. Gedichte über Liebe und Tod, Natur und Kunst.
2001: Das Lied der Deutschen. Wallstein, Göttingen. (Über Hofmann von Fallersleben)
2003: Funken fliegen zwischen Hut und Schuh. Lichtblicke, Schweifsterne, Donnerkeile.
2004: Tabu II. Tagebücher 1971–1972.
2004: Wenn ich mal richtig ICH sag … . Ein Lese-Bilderbuch. Steidl, Göttingen.
2007: Aufwachen und Wiederfinden. Gedichte.
2008: Paradiesvogelschiss. Gedichte.