Hektor und Achill
Georg Britting
Aufnahme 2019
I.
Auch Alexander starb. Es starb der weise
Und zungenschnelle Sokrates. Der Held
Achill. Held Hektor auch. O grause Welt!
Die Kinder sterben und die grauen Greise.
Dem wird ein Scheiterhaufen aufgestellt,
Den schickt das Gift auf seine letzte Reise,
Und den das Schwert. Und keiner hats gewählt.
Verschieden ist der Weg, die Art und Weise,
Und gleich das Ziel. Dann schließen sich die Türen,
Die in das unbekannte Drüben führen,
Für immer zu. Und nie ward es vernommen,
Daß jemals einer wär zurückgekommen,
Um uns bestaubt und atemlos zu sagen,
Ob jetzt Achill und Hektor sich vertragen.
II.
Ob jetzt Achill und Hektor sich vertragen
Und vor den Mauern Trojas sich ergötzen
Am süßen Wein und miteinander schwätzen –
Weißt du denn nur und immer nur zu fragen?
Und eine Antwort willst du wohl nicht wagen,
Stets Zweifelnder? Ob sie, statt sich zu hetzen,
Nun Freund und Bruder zueinander sagen –
Ein Unterschied, gering nur anzusetzen!
Meinst du, daß alles unverändert bleibt?
Daß drüben uns der alte Wahnsinn treibt?
Daß wieder Männer um die Frauen werben?
Sag, findest du denn kein gewisses Bild
In deiner Seele, das die Unruh stillt:
Wozu wir sind, um kurz darauf zu sterben?
III.
Wozu wir sind, um kurz darauf zu sterben,
Das fragte, als er noch im Lichte lebte,
Vor Freude schrie, in Schmerz und Wut erbebte,
Achill sich nie. Er schlug dem Feind mit derben,
Glorreichen Hieben stracks den Helm in Scherben
Und auch das Haupt. Wer je ihm widerstrebte,
Der mußte bald den Boden blutig färben!
Doch wenn der Abendduft um Troja webte,
Sang er sich wohl ein Lied, der unbedachte
Und weise Held, der laut und töricht lachte,
Wenn einer sich mit dieser Frage quälte.
Die Götter schenkten ihm von allen Gaben
Die beste, die sie zu vergeben haben:
Daß er sich diese Frage niemals stellte!