Epigramme

Angelus Silesius

Aufnahme 2001

Das Bildnis Gottes
Ich trage Gottes Bild: wenn er sich will besehn,
So kann es nur in mir, und wer mir gleicht, geschehn.

Die hohe Würdigung
O hohe Würdigung! Gott springt von seinem Thron
Und setzet mich darauf in seinem lieben Sohn.

Der Leib ist Ehren wert
Halt deinen Leib in Ehrn, er ist ein edler Schrein,
In dem das Bildnis Gotts soll aufbehalten sein.

Zufall und Wesen
Mensch, werde wesentlich; denn wenn die Welt vergeht,
So fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht.

Ohne warum
Die Ros ist ohn warum; sie blühet, weil sie blühet,
Sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.

Jetzt mußt du blühen
Blüh auf, gefrorner Christ, der Mai ist vor der Tür,
Du bleibest ewig tot, blühst du nicht jetzt und hier.

Der unerkannte Gott
Was Gott ist, weiß man nicht. Er ist nicht Licht, nicht Geist,
Nicht Wahrheit, Einheit, Eins, nicht was man Gottheit heißt.
Nicht Weisheit, nicht Verstand, nicht Liebe, Wille, Güte,
Kein Ding, kein Unding auch, kein Wesen, kein Gemüte.
Er ist, was ich und du und keine Kreatur,
Eh wir geworden sind, was er ist, nie erfuhr.

Gott ist ein Brunn

Gott gleicht sich einem Brunn; er fließt ganz mildiglich
Heraus in sein Geschöpf und bleibet doch in sich.