Emanuel Geibel
Franz Emanuel August Geibel wurde am 17. 10. 1815 in Lübeck als siebtes von acht Kindern in einem reformierten Pfarrhaus geboren. Nach dem Gymnasium in Lübeck begann er 1835 in Bonn ein Theologiestudium, wechselte aber bald zur klassischen Philologie. 1836 ging er nach Berlin, wo er Chamisso und Eichendorff kennen lernte. 1838 nahm er eine Stelle als Hauslehrer in Athen an. Nach seiner Rückkehr veröffentlichte er 1840 seine ersten Gedichte, die rasch populär wurden; der preußische König setzte ihm 1842 eine lebenslange Pension aus. 1852 heiratete Geibel die 18-jährige Amanda Trummer. 1852 zog das Paar einem Ruf König Maximilians II. folgend nach München, wo Geibel eine Ehrenprofessur für deutsche Literatur und Poetik antrat. 1853 wurde seine Tochter Ada Marie Caroline geboren. Die Mutter starb bereits zwei Jahre später mit 21 Jahren. Nach ihrem Tod und mit Beginn seiner chronischen Erkrankung nahm Geibels Schaffenskraft ab. Aufgrund seiner pro-preußischen politischen Ansichten fiel er in München nach König Maximilians Tod in Ungnade, verlor seine Pension und kehrte 1868 in seine Heimatstadt zurück. Lübeck ernannte Geibel 1869 zum Ehrenbürger und der preußische König Wilhelm ersetzte die bayerische Pension durch einen Ehrensold auf Lebenszeit. Geibel starb dort nach langer schwerer Krankheit am 6.4.1884.
Von den frühesten Veröffentlichungen an zog Geibel starken Zuspruch und harsche Kritik auf sich. Theodor Fontane prägte den Ausdruck „Geibelei“, worunter er klangschöne, aber formal stereotype Lyrik verstand, die sich mit beliebigen Inhalten füllen ließ. Theodor Storm beklagte sich noch anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Husum darüber, dass sein Werk zeit seines Lebens hinter das von Geibel zurückgestellt worden sei. Wilhelm Buschs „Balduin Bählamm, der verhinderte Dichter“ gilt als spöttischer Kommentar zu Emanuel Geibel. Neben Spott und Kritik bedeutender Zunftgenossen steht die hohe Anerkennung, die Geibel bei einigen Autoritäten der deutschen Literaturwissenschaft zwischen 1860 und 1918 fand. Zum 100. Geburtstag am 17./18. Oktober 1915 ließ der Lübecker Senat ein Bändchen politischer Lyrik in hoher Auflage drucken. Die Hefte wurden Frontsoldaten zur „geistig-moralischen Stärkung“ anempfohlen. Die Instrumentalisierung von zeitgebundenen Gedichten, die zur Beförderung und Feier der deutschen Einheitsbestrebungen zwischen 1860 und 1871 verfasst worden waren, und nun zur Rechtfertigung des deutschen Angriffskrieges mit dem Ziel der Weltherrschaft umfunktioniert wurden, fiel auf den Autor zurück und beschädigte sein Ansehen nachhaltig. Die französische Kriegspropaganda druckte Flugblätter mit Zeichnungen deutscher Soldaten, die Gasmasken tragen und setzte dazu als Spruchband „Am deutschen Wesen soll dereinst die Welt genesen“. Die Textstelle aus Geibels Gedicht „Deutschlands Beruf“ von 1861 lautet jedoch: „Und es mag am deutschen Wesen / einmal noch die Welt genesen“. Gleichwohl wirkt aus heutiger Sicht der patriotisch-nationalistische Tenor dieser Gedichte hohl und bestenfalls unfreiwillig komisch.
Werke u.a.:
1840: Gedichte
1840: Klassische Studien (Übersetzungen, zusammen mit Ernst Curtius)
1841: Zeitstimmen
1842; An Georg Herwegh
1843: Volkslieder und Romanzen der Spanier (Übersetzungen)
1844: König Roderich (Tragödie)
1846: Zwölf Sonette für Schleswig-Holstein
1848: Juniuslieder
1852: Spanisches Liederbuch (Übersetzungen, zusammen mit Paul Heyse )
1855: Meister Andrea (Komödie)
1856: Neue Gedichte
1857: Brunhild (Tragödie)
1860: Romanzero der Spanier und Portugiesen (Übersetzungen, zusammen mit Adolf Schack)
1862: Fünf Bücher französischer Lyrik (Übersetzungen, zusammen mit Heinrich Leuthold)
1864: Gedichte und Gedenkblätter
1868: Sophonisbe (Drama)
1871: Heroldsrufe (Lyrik)
1875: Classisches Liederbuch (Übersetzungen)
1877: Spätherbstblätter (Lyrik)