Ferdinand Freiligrath
Hermann Ferdinand Freiligrath wurde am 17.6.1810 in Detmold geboren; er starb am 18.3.1876 in Cannstatt. Er war ein deutscher Lyriker und Übersetzer.
Erste Gedichte Freiligraths wurden 1828 im Soester Wochenblatt veröffentlicht. Er huldigte schwärmerisch „den schönsten Bewohnerinnen Soests“. Im September 1839 begann er in Unkel am Rhein, wo noch heute das Freiligrathhaus an diese Schaffensperiode erinnert, ein Leben als freier Schriftsteller. Mit seinem Freund Levin Schücking, der auch Beiträge verwertete, die ihm von Annette von Droste-Hülshoff zur Verfügung gestellt wurden, veröffentlichte er 1840 „Das malerische und romantische Westphalen“. Dieses Werk ist im Zusammenhang mit einer starken Zeitströmung zu sehen. Landschaft und Region wurden als politischer Bezirk und literarisches Neuland entdeckt, das Interesse an Märchen, Sagen und literarischem Volksgut erwachte.
Nach seiner Heirat mit Ida Melos am 20. Mai 1841 ließ er sich mit seiner Frau in Darmstadt nieder und erhielt auf Empfehlung Alexander von Humboldts 1842 eine Pension von 300 Talern vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. Im selben Jahr zogen die Freiligraths nach St. Goar. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Am 14. Mai 1842 wurde Freiligrath Freimaurer. Seine Sammlung politischer Gedichte „Ein Glaubensbekenntniß“ erschien im September 1844 und begründete seinen Ruf als politischer Dichter. Aus Gründen politischer Opposition verzichtete er 1844 auf die Pension und auf eine mögliche Anstellung am Hof von Weimar. Wegen der Gefahr polizeilicher Verfolgung verließ er Deutschland und übersiedelte 1845 nach Brüssel. Im gleichen Jahr zog er in die Schweiz und ließ sich mit seiner Frau und deren Schwester Marie Melos am Zürichsee nieder. Dort machte er die Bekanntschaft von Gottfried Keller sowie von Franz Liszt. 1846 veröffentlichte er den Gedichtband „Ça ira!“, in dem er sich für eine Revolution in Deutschland aussprach. Danach ging er aus finanziellen Gründen nach London, wo er als Korrespondent eines Handelshauses und später als Dozent an der Londoner Universität arbeitete.
Er war auf dem Sprung nach Amerika, als in Deutschland die 1848er Revolution ausbrach, die er mit den Gedichten „Februar-Klänge“ und „Die Revolution“ (1849) begrüßte. In Düsseldorf, wo er Freunde hatte, beteiligte sich aktiv an der Revolution. Im Juni 1848 besuchte er den ersten Demokratenkongress in Frankfurt am Main. Im gleichen Monat war er im Kölner Arbeiterverein zu Gast und trug dort sein Gedicht „Trotz alledem!“ vor. Am 1. August 1848 trug Freiligrath im Volksklub, einer politisch links stehenden Vereinigung in Düsseldorf, sein Gedicht „Die Todten an die Lebenden“ vor. Darauf wurde er Ende August verhaftet und der „Aufreizung zu hochverrätherischen Unternehmungen“ angeklagt. Am 3. Oktober 1848 verhandelte ein Assisengericht in Düsseldorf den Prozess. Er endete mit einem Freispruch durch die Geschworenen und einem Festzug der Bevölkerung. Nach Polizeiangaben waren dabei 15.000 Menschen auf den Beinen, unter ihnen Karl Marx.
Am 12. Oktober 1848 trat Freiligrath in die Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung von Karl Marx und Friedrich Engels ein und betreute die Auslandsredaktion. In dieser Zeitung erschienen weitere seiner Gedichte. Freiligrath sollte auch im Kölner Kommunistenprozess angeklagt werden. Er reiste nach Amsterdam, kehrte jedoch 1850 nach Deutschland zurück, weil sein Aufenthalt in Amsterdam nicht geduldet wurde. Im gleichen Jahr wurde er in den Düsseldorfer Künstlerverein „Malkasten“ aufgenommen.
Um absehbaren Repressalien wegen seiner kritischen Veröffentlichungen zu entgehen, emigrierte Freiligrath bald nach London. Auf einen Steckbrief vom 14. August 1851 vom Kölner Oberprokurator August Heinrich von Seckendorff wegen Teilnahme „an einem Komplotte zum Umsturze der Staatsregierung“ antwortete Freiligrath in der Kölnischen Zeitung, dass er nicht ins Ausland geflüchtet sei, sondern „mit einem regelmäßigen Paß für In- und Ausland auf ein Jahr aus Preußen abgereist“ war. Von Mai 1851 an lebte er wieder in London. Im Juni wurde er als kaufmännischer Angestellter bei Joseph Oxford angestellt, der mit ostindischen Foulards handelte. 1856 wurde er von James Fazy als Leiter der Londoner Agentur der „General Bank of Switzerland“ (Crédit Foncier) angestellt. 1858 nahm er die englische Staatsbürgerschaft an. Die preußische Amnestie von 1861 und 1866 schloss Freiligrath aus, weil er noch immer gerichtlich verfolgt war und nur ein Gnadengesuch ihm Straffreiheit gewährt hätte, wozu er aber nicht bereit war. Nach der Schließung der Bankfiliale Ende 1865 war er wieder arbeitslos. Im April 1867 rief Emil Rittershaus einige seiner Barmer Freunde zu einer Spendensammlung auf, die fast 60.000 Taler einbrachte, so konnte er 1868 nach Deutschland zurückkehren. Da er in Preußen nicht amnestiert war, ließ er sich 1874 in Cannstatt bei Stuttgart nieder.
Nach der gescheiterten Revolution erlosch Freiligraths Begeisterung für Revolution, Klassenkampf und Proletariat. In einer scharfen Kehrtwende von der revolutionären Emphase seiner Jugend vollzog er in seinem Spätwerk die Hinwendung zur nationalistischen Begeisterungswelle der Gründerjahre: Freiligrath begrüßte mit chauvinistischen Gedichten wie „Hurra, Germania!“ den Krieg gegen Frankreich und die Reichsgründung von 1871. Ich nehme diesen Text nur in meine Sammlung auf als drastisches Beispiel für Freiligraths, wie ich es sehe, politisch-moralischen Niedergang, den ich als kaum begreiflichen Verrat an den Idealen seiner Jugend wahrnehme.
Freiligrath betätigte sich auch als Übersetzer, u.a. von Werken Robert Burns’, Victor Hugos, Alfred de Mussets. Von bleibender Bedeutung ist vor allem sein politischer Einsatz und idealistischer Schwung seiner Jugend gegen die als ungerecht gebrandmarkten Zustände seiner Zeit anzusehen. Diese Bedeutung wird allerdings durch seine Abkehr von den Idealen seiner Jugend im Alter überschattet.
Freiligrath starb am 18. März 1876 in Cannstatt an Herzversagen.