Tränenhalsband
Selma Meerbaum-Eisinger
Aufnahme 2012
Die Tage lasten schwül und schwer, voll wildem, bangem
   Weh. Es ist in mir so kalt und leer, daß ich vor Angst 
   vergeh'.
Die Vögel ziehn gen Mittag hin, sie sind schon lange fort. 
   Schon seh' ich keine Aster blühn, und auch die letzten 
   Falter fliehn, die Berge sind mit Herbst umflort.
Ich bin in Sehnsucht eingehüllt, ich sehne mich nach dir. 
   Mein heißes Sehnsuchtslied erfüllt die Welt und mich 
   mit ihr.
Der Regen, der eintönig rauscht, begleitet meinen Sang. 
   Und wer dem Regenliede lauscht und wer sich an dem 
   Weh berauscht, der hört auch meines Liedes Klang.
Nur du allein, du hörst es nicht – ach, weiß ich denn, 
  warum? Und wenn mein Lied einst gell zerbricht, du 
  bleibst auch kalt und stumm.
Dir macht es nichts, wenn jeder Baum mitleidig fleht: so
  hör! Du gehst vorbei und siehst mich kaum, als wüßtest 
  du nicht meinen Traum, und 's fällt dir nicht mal 
  schwer.
Und doch bist du so bleich bedrückt, wie einer der 
  versteht, der seine Seufzer schwer erstickt und schwer 
  beladen geht.
Und doch ist Weh in deinem Blick, um deine Lippen Leid. 
  Verloren hast du wohl das Glück, es kommt wohl 
  nimmermehr zurück, und du – du bist »befreit«.
Nun ja, das Glück war dir zu schwer, du hast es hastig-
  wild verstreut, und nun sind deine Hände leer, es füllt 
  sie nur noch Einsamkeit.
So stehst du da und wirfst den Kopf mit starrem Trotz 
  zurück, und sagst, was du ja selbst nichtglaubst – »Ich 
  pfeife auf das Glück!«
Und dann, wenn es schon längst vorbei, stehst du noch da 
  und starrst ihm nach, dann sehnst du es so heiß herbei, 
  es ist dir nicht mehr einerlei – dann bist du plötzlich 
  wach.
Zurück jedoch kommt es nie mehr – denn  rufen willst du 
  nicht, und wäre die Leere so unendlich schwer, daß dein 
  Rücken darunter bricht.
So tragen wir beide dasselbe Leid, ein jeder für sich allein. 
  Mich krönt aus Tränen ein schweres Geschmeid' und
  dich ein Sehnsuchtsedelstein.
Und der Wind singt uns beiden den ewigen Sang von
  Sehnen und Verzicht, doch auch wenn es dir zum 
  Sterben bang – du rufst mich trotzdem nicht.
6.11.1941
Lyrik als Download
Tränenhalsband [Meerbaum-06]

Hören Sie Gedichte nicht (nur) auf Smartphone oder PC. Auf Ihrer
Audioanlage entfalten sie eine bedeutend tiefere Wirkung. Nach
der Zahlung können Sie die ausgesuchte MP3-Datei herunterladen.
Und sollten Sie eine größere Reihe meiner Rezitationen erwerben 
 wollen, komme ich Ihnen gern entgegen. Sprechen Sie mich an !
* Es fallen keine Versandkosten an (digitale Datei zum Herunterladen).
 
 
 
