Der Zweifler
Bertolt Brecht
Aufnahme 2012
Immer wenn uns
 Die Antwort auf eine Frage gefunden schien
 Löste einer von uns an der Wand die Schnur der alten
 Aufgerollten chinesischen Leinwand, so daß sie herabfiele und
 Sichtbar wurde der Mann auf der Bank, der
 So sehr zweifelte.
Ich, sagte er uns
 Bin der Zweifler, ich zweifle, ob
 Die Arbeit gelungen ist, die eure Tage verschlungen hat.
 Ob, was ihr gesagt, auch schlechter gesagt, noch für einige Wert hätte.
 Ob ihr es aber gut gesagt und euch nicht etwa
 Auf die Wahrheit verlassen habt dessen, was ihr gesagt habt.
 Ob es nicht vieldeutig ist, für jeden möglichen Irrtum
 Tragt ihr die Schuld. Es kann auch eindeutig sein
 Und den Widerspruch aus den Dingen entfernen; ist es zu eindeutig?
 Dann ist es unbrauchbar, was ihr sagt. Euer Ding ist dann leblos
 Seid ihr wirklich im Fluß des Geschehens? Einverstanden mit
 Allem, was wird? Werdet ihr noch? Wer seid ihr? Zu wem
 Sprecht ihr? Wem nützt es, was ihr da sagt? Und nebenbei:
 Läßt es auch nüchtern? Ist es am Morgen zu lesen?
 Ist es auch angeknüpft an vorhandenes? Sind die Sätze, die
 Vor euch gesagt sind, benutzt, wenigstens widerlegt? Ist alles belegbar?
 Durch Erfahrung? Durch welche? Aber vor allem
 Immer wieder vor allem anderen: Wie handelt man
 Wenn man euch glaubt, was ihr sagt? Vor allem: Wie handelt man?
Nachdenklich betrachteten wir mit Neugier den zweifelnden
 Blauen Mann auf der Leinwand, sahen uns an und
 Begannen von vorne.
 
 
 
