Jakob van Hoddis

Jakob van Hoddis wurde am 16.5.1887 als Hans Davidsohn in Berlin geboren; er starb 1942 vermutlich im Vernichtungslager Sobibor. Er war ein deutscher Dichter des literarischen Expressionismus. Hans Davidsohn war der Sohn des jüdischen Sanitätsrats Hermann Davidsohn und dessen ebenfalls jüdischen Ehefrau Doris geb. Kempner. Die Lyrikerin Friederike Kempner war seine Großtante.
Er besuchte das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Berlin, verließ die Schule aber 1905, um einer Relegation zuvorzukommen. Bereits als Gymnasiast schrieb er erste Gedichte. Er bestand 1906 als Externer das Abitur und immatrikulierte sich noch im selben Jahr an der Technischen Hochschule Charlottenburg für Architektur, brach aber 1907 das TH-Studium ab und wechselte an die Universität Jena, um Klassische Philologie zu studieren. Später ging er an die Friedrich-Wilhelms-Universität nach Berlin zurück. Dort wurde er Mitglied der Freien Wissenschaftlichen Vereinigung, in der er den Jurastudenten und späteren Schriftsteller Kurt Hiller kennenlernte. 1908 konnte er, gefördert durch Hiller, mit einigen Gedichten debütieren. Zusammen mit Erwin Loewenson (alias Golo Gangi) gründeten sie 1909 in den Hackeschen Höfen den „Neuen Club“. Unter dem Namen „Neopathetisches Cabaret“ organisierten sie ab 1910 literarische Abende. Nach dem Tod seines Vaters legte er sich 1909 das Pseudonym Jakob van Hoddis zu. Van Hoddis ist ein Anagramm seines Nachnamens Davidsohn. In dieser Zeit begann auch seine Freundschaft mit dem Kollegen Georg Heym.
1912 machte sich erstmals eine beginnende Psychose bemerkbar, wahrscheinlich provoziert durch den Tod Heyms, der im Januar beim Schlittschuhfahren im Eis einbrach und ertrank und wohl auch auf Grund seiner unerwiderten Liebe für Lotte Pritzel. Wegen zunehmender Konflikte mit seiner Familie zog er sich Anfang September selbst in die Kuranstalt in Wolbeck bei Münster zurück, die er Mitte Oktober aber „fluchtartig“ verließ, um nach Berlin zurückzukehren. Hier wurde er derart auffällig, dass er Ende Oktober in die Heilanstalt „Waldhaus“ in Nikolassee bei Berlin eingewiesen wurde.
Unter dem Titel „Gewaltsam ins Irrenhaus“ war diese Zwangseinweisung Anlass für ein Medienecho, allerdings zu einer Zeit, als van Hoddis schon aus der Anstalt geflüchtet war. Nach Aufenthalten in Paris, München und Heidelberg kehrte er völlig mittellos nach Berlin zurück. 1914 hielt er seinen letzten Vortrag im Neuen Club. Ab 1915 war van Hoddis in ständiger ärztlicher Behandlung und wurde privat gepflegt. Ab 1922 befand sich van Hoddis in ständiger privater Pflege in Tübingen. Sein Zustand verschlechterte sich so sehr, dass er 1926 auf Antrag seiner Mutter durch das Amtsgericht Tübingen entmündigt wurde und sein Onkel Hermann Kempner die Vormundschaft für ihn übernahm.
1933 emigrierte van Hoddis’ Mutter mit seinen Schwestern Marie und Anna nach Palästina. Van Hoddis mussten sie aufgrund seines Zustandes zurücklassen. Am 29.9.1933 wurde er in die „Israelitischen Heil- und Pflegeanstalten“ Bendorf-Sayn bei Koblenz verlegt. In dieser Anstalt wurde ab 1940 der größte Teil jüdischer psychiatrischer Patienten aus dem deutschen Reich konzentriert. Zu diesem Zeitpunkt war Hoddis wegen seiner diagnostizierten hebephrenen Schizophrenie im Endstadium nicht mehr ansprechbar. Er baute in den letzten Jahren körperlich immer mehr ab, verhielt sich aber im Vergleich zu anderen Patienten verhältnismäßig unauffällig, grüßte Tiere, die er beim Spazieren traf, spielte Schach und rauchte viel. Sein Umfeld sowie seine Umgebung nahm er nicht mehr wahr. Am 30.4.1942 wurde er von dort in den Distrikt Lublin im besetzten Polen deportiert und wahrscheinlich im Vernichtungslager Sobibór im Mai oder Juni desselben Jahres im Alter von 55 Jahren ermordet.
Sein Gedicht „Weltende“ wurde am 11.1.1911 in der Berliner Zeitschrift „Der Demokrat“ erstmals veröffentlicht. Es wurde zum Fanal  des Frühexpressionismus. 70 weitere Gedichte erschienen in den Avantgardezeitschriften „Die Aktion“ und „Der Sturm“. Sein lyrisches Werk ist  gekennzeichnet durch starke Chiffrenhaftigkeit und dadaistische Elemente. Viele seiner Gedichte zeigen einen skurril-grotesken Inhalt, vermischt mit naiven und schwarz-humoristischen Formulierungen. Seine Lyrik wurde von der damaligen Literaturkritik und Intellektuellen hoch geschätzt. So eröffnete „Weltende“ die von Kurt Pinthus 1919 herausgegebene wohl berühmteste expressionistische Lyrikanthologie „Menschheitdämmerung“. In der späteren Forschung tritt er dagegen im Vergleich zu anderen Vertretern des Expressionismus wie Georg Heym, Ernst Stadler und Georg Trakl in den Hintergrund. Seine Gedichte in der Zeit zwischen 1910 und 1914 weisen einen deutlichen Einfluss durch den frühen Stefan George auf.