Gertrud Kolmar

Gertrud Kolmar, geboren am 10.12.1894 in Berlin, war die Tochter eines jüdischen Rechtsanwaltes. Sie war als Erzieherin in einem Kindergarten tätig, lernte Russisch und absolvierte 1915/16 ein Seminar für Sprachlehrerinnen in Berlin mit einem Diplom für Englisch und Französisch. Zu dieser Zeit hatte sie eine Liebesbeziehung mit einem Offizier, die mit der Abtreibung des gemeinsamen Kindes und der Trennung endete. 1917 erschien ihr erster Gedichtband unter dem Pseudonym Gertrud Kolmar. Sie arbeitete anfang der zwanziger Jahre als Erzieherin in verschiedenen Berliner Familien, 1927 zog sie nach Hamburg. Im selben Jahr unternahm sie eine Studienreise nach Frankreich mit Aufenthalten in Paris und Dijon. Ab 1928 übernahm sie wegen einer schweren Erkrankung der Mutter die Führung des elterlichen Haushalts und arbeitete daneben als Sekretärin für ihren Vater. Seinetwegen blieb sie nach 1933 in Deutschland, während ihren Geschwistern die Flucht gelang. Ende der 1920er-Jahre erschienen einzelne ihrer Gedichte in literarischen Zeitschriften und Anthologien. 1934 wurde ihr zweiter Gedichtband „Preußische Wappen“publiziert. Diese Veröffentlichung brachte den Verlag auf eine Liste unerwünschter Verlage des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, von dem er dann boykottiert wurde. Kolmar durfte ab 1936 nicht mehr unter ihrem Künstlernamen sondern nur noch unter ihrem Familiennamen Chodziesner publizieren.
Ihr dritter Gedichtband „Die Frau und die Tiere“, der im August 1938 noch in einem jüdischen Verlag erscheinen durfte, wurde nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 eingestampft. Die Familie Chodziesner wurde im November 1938 zum Verkauf ihres Hauses in Finkenkrug und zum Umzug in eine Etagenwohnung in einem „Judenhaus“ in Berlin-Schöneberg gezwungen. Von Juli 1941 an musste Gertrud Kolmar Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten. Ihr Vater wurde im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und starb dort im Februar 1943. Gertrud Kolmar wurde am 27. Februar 1943 im Verlauf der Fabrikaktion verhaftet und am 2. März 1943 im 32. sogenannten Osttransport des RSHA ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Von den etwa 1500 Berliner Juden, die in diesem Zug am 3. März 1943 in Auschwitz ankamen, wurden nach der Selektion an der 'Alten Rampe' 535 Männer und 145 Frauen als „arbeitsfähige“ Häftlinge registriert und in das Lager eingewiesen. Die übrigen etwa 820 Deportierten dieses Zuges, darunter Gertrud Kolmar, wurden nicht als Häftlinge registriert und vermutlich sofort nach der Ankunft in der Gaskammer ermordet. So ist der Tag ihres Todes nicht genauer zu bestimmen als anfang März 1943.

Gertrud Kolmar, zu Lebzeiten nur spärlich publiziert, gilt heute als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts. Nach eher konventionellen Anfängen fand sie in ihren Gedichten vor allem ab Ende der Zwanzigerjahre zu einem eigenen, unverkennbaren Ton, geprägt von großer sprachlicher Virtuosität und Expressivität, unter gleichzeitiger Beibehaltung traditioneller Formen. In ihrem Werk herrschen Natur- und Frauenthemen vor, oft ins Mystische und Hymnische gesteigert.

Werke u.a.:

1917:  Gedichte, Berlin
1934:  Preußische Wappen, Berlin
1938:  Die Frau und die Tiere, Berlin, Jüdischer Buchverlag
1947:  Welten, Berlin
1955:  Das lyrische Werk, Heidelberg, Darmstadt
1960:  Das lyrische Werk, München
1965:  Eine Mutter, München
1970:  Briefe an die Schwester Hilde, München
1978:  Das Wort der Stummen. Nachgelassene Gedichte. „Erinnerungen an Gertrud Kolmar“ von Hilde Benjamin, Berlin,
1993:  Susanna, Frankfurt am Main; auf 2 CD Berlin: Herzrasen Records,
1994:  Nacht, Verona
1997:  Briefe. Hrsg. von Johanna Woltmann. Göttingen
2003: Das lyrische Werk. Hrsg. von Regina Nörtemann. 3 Bände. (erste kritische, kommentierte Ausgabe). Göttingen (² 2010)
2005:  Die Dramen. Hrsg. von Regina Nörtemann. Göttingen