Märchen

Selma Meerbaum-Eisinger

Aufnahme 2020

So. Und das ist wahrscheinlich der Schluß.
Der Regen weint und es weint die Nacht
und es weint mein Mund um einen Kuß
und weint und weint – und lacht.

So geht wohl jedes Märchen aus,
denn sonst – ist es nicht wahr:
Einer allein in den Wind hinaus
und die Nacht ist sein Altar.

Und die Sehnsucht ist seine Priesterin.
In einem großen, blauen Kleid
kniet sie zu seinen Füßen hin
und ist so weit ... so weit …

So weit wie meine Augen sind –
verloren in einem Wald,
spielen sie blind und tot mit dem Wind,
und ich – bin müd und kalt.

Die Wege sind so endlos lang.
Und meine Tage sind es auch
und allen Bäumen wird so bang.
Verregnet jeder Strauch.

Ich gehe mit der Nacht vereint
und bin so einsam wie sie.
Der Regen weint und der Wind weint
um mich – oder um sie?

7.3.1941