Abschied
Mascha Kaléko
Aufnahme 2025
Jetzt bist du fort. Dein Zug ging neun Uhr sieben
Ich hielt dich nicht zürück. Nun tut's mir leid.
– Von dir ist weiter nichts zürückgeblieben
Als ein paar Fotos und die Einsamkeit.
Noch hör' ich leis' von fern den D-Zug pfeifen.
In ein paar Stunden hält er in Polzin
Mich ließest du allein in Groß-Berlin,
Nun werde ich durch laute Straßen streifen
Und mißvergnügt in mein Möbliertes gehen,
Das mir für dreißig Mark Zuhause ist,
Und warten, daß ein Brief von dir mich grüßt,
Und abends manchmal nach der Türe sehen
. . . Ich kenn das schon – . Und weiß, es wird mir fehlen
Daß du um sechs nicht vor dem Bahnhof bist
– Wem soll ich, was am Tag geschehen ist
Und von dem Ärger im Büro erzählen?
Jetzt, da du forst bist, scheint mir alles trübe.
– Hätt ich's geahnt, ich ließe dich nicht gehn.
Was wir vermissen, scheint uns immer schön.
Woran das liegen mag? . . . Ist das nun Liebe?
Das regnet heut! Man glaubt beinah zu spüren
Wie's Thermometer mit der Stimmung fällt.
Frau Meilich hat die Heizung abgestellt,
Und irgendwo im Hause klappen Türen.
Jetzt sitz ich ohne dich in meinem Zimmer
Und trink den dünnen Kaffee ganz allein.
– Ich weiß, das wird jetzt manches Mal so sein.
Sehr oft vielleicht. – Beziehungsweise: immer . . .